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Volume 5, 2021/10, Dec 3, 21 pages  ♦  pdf-Format

Sabine Riedel

VR CHINAS MACHTANSPRUCH AUF TAIWAN

Peking bedroht nicht nur die Republik China (Taiwan) mit Maos „Kulturrevolution“

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INHALT:

  • ORWELLS „NEUSPRACHE“ im Dienst der Sprachplanung Pekings
  • Orwells „KRIEG BEDEUTET FRIEDEN“: Pekings Nationalismus zielt auf Taiwan
  • Orwells „FREIHEIT IST SKLAVEREI“: Taiwan als Symbol für freien Welthandel
  • Orwells „UNWISSENHEIT IST STÄRKE“: Kulturrevolution statt Menschenrechte

Gesamtverzeichnis FPK/CPI

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Die 21 Seiten enthalten:
Analyse, Zusammenfassung,
10 Abbildungen und Quellentexte,
ca. 98  Quellen (verlinkt)

ZUSAMMENFASSUNG

George Orwells Roman „1984“ ist heute keine Fiktion mehr. Längst sind wohlklingende Ziele in politische Agenden eingeflossen, die das genaue Gegenteil anstreben. Die Spannungen zwischen der Volksrepublik und Taiwan (Republik China) sind hierfür ein gutes Beispiel. Hinter Orwells literarischem Sujet steht die linguistische Sapir-Whorf-Hypothese, wonach Sprache das Denken beeinflusst. Damit lassen sich Machttechniken dekonstruieren, der sich Diktatoren und ihre Führungseliten bedienen. Eine Schlüsselrolle spielt im Falle der Volksrepublik die Sprach(en)politik. Sie reglementiert den öffentlichen Sprachgebrauch und zeigt sich intolerant gegenüber Regional- und Minderheitensprachen. 

Durch Sprachplanung inszeniert Peking seine „friedliche Wiedervereinigung“, während es gleichzeitig Taiwan im Falle seines Widerstands mit Krieg droht. Dies entspricht dem Slogan „Krieg bedeutet Frieden“. Als ebenso doppelbödig erweist sich die Floskel „Freiheit ist Sklaverei“, wonach Taiwan wegen seines Freiheitswillens in wirtschaftliche Abhängigkeiten gefallen sein müsste. Auch hier ist das Gegenteil der Fall: Die Wirtschaftsreformen Pekings in den 1990er Jahren waren der Versuch, das erfolgreiche Modell des Tigerstaats und „Klassenfeindes“ zu kopieren. Schließlich hat sich die Volksrepublik Orwells Spruch „Unwissenheit ist Stärke“ zu eigen gemacht: Ihre UN-Mitgliedschaft (1971) beruht auf einer Täuschung der Weltgemeinschaft über die Opfer von Maos Kulturrevolution (1966 – 1976) und die zu erwartenden Folgen der digitalen Revolution.

„Das Wahrheitsministerium Miniwahr, wie es in der Neusprache, der amtlichen Sprache Ozeaniens, hieß – […] war ein riesiger pyramidenartiger, weiß schimmernder Betonbau, der sich terrassenförmig dreihundert Meter hoch in die Luft reckte. Von der Stelle, wo Winston stand, konnte man gerade noch die in schönen Lettern in seine weiße Front gemeißelten drei Wahlsprüche der Partei entziffern:

KRIEG BEDEUTET FRIEDEN – FREIHEIT IST SKLAVEREI – UNWISSENHEIT IST STÄRKE.

[…] Das Wahrheitsministerium [befasst] sich mit dem Nachrichtenwesen, der Freizeitgestaltung, dem Erzie-hungswesen und den schönen Künsten […].“

(George Orwell 1949, dt. 1950, 21. Auflage 1973, S. 11).

AUSZUG: EINLEITUNG

Der folgende Beitrag analysiert die Hintergründe der Spannungen zwischen der Volksrepublik und der Republik China (Taiwan) aus dem Blickwinkel der politischen Kulturforschung. Während Taiwan um seine internationale Rehabilitierung und Anerkennung kämpft, geht es Peking um die kulturelle Hegemonie über die chinesisch-sprachige Community weltweit. Dabei kaschiert die Volksrepublik ihre politische Agenda mit dem Vokabular der Vereinten Nationen (UN). Dem unbedarften Beobachter bleiben die tiefer liegenden Interessen verborgen, obwohl sie an anderer Stelle offen benannt werden. 

So verteidigte Außenminister Wang Yi anlässlich des 50. Jahrestags der UN-Mitgliedschaft seines Landes die „gemeinsamen Werte der Menschheit“ wie Frieden und Demokratie, erklärte aber in derselben Rede, dass die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) ihren Zielen treu bleiben werde (fmprc.gov.cn, 25.6.2021, Abbildung 1). Dazu gehören laut Parteistatut vier Grundprinzipien: „das Festhalten am sozialistischen Weg, der volksdemokratischen Diktatur, der Führung durch die Kommunistische Partei Chinas und dem Marxismus-Leninismus und den Mao-Zedong-Ideen“ (Statut der KPCh).

Damit lehnt die KPCh das Modell einer pluralistischen Gesellschaft nicht nur für sich ab. Nach dem erklärten Ziel einer „Wiedervereinigung des Vaterlandes“ (a.a.O.) sollen auch Hongkong, Macau und Taiwan zum „Sozialismus chinesischer Prägung“ bekehrt werden. Als ehemalige Kolonialgebiete gehören Hongkong und Macau heute zur Volksrepublik mit vertraglich geschützten Autonomierechten bis 2047 bz. 2049, Taiwan dagegen ist ein selbständiger Staat. Er sieht sich in der Nachfolge der 1947 ausgerufenen Republik China, deren Regierung sich im Verlauf des Bürgerkriegs auf die Insel im Südpazifik zurückzog, die damals von den USA verwaltet wurde. Die Volksrepublik fordert dessen Rückgabe seit ihrer Konstituierung am 1.10.1949, so dass sein rechtlicher Status als eigenständiger Staat vielerorts angezweifelt wird. … [S. 1 f.]